Kanzlei Tykwer & Kirsch
Carsten Tykwer
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Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des jeweils beizutreibenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Der Kläger nimmt die beklagte Stiftung auf Schmerzensgeldzahlung, Zahlung von Schadensersatz sowie auf Feststellung der Ersatzpflicht künftig entstehenden Schadens aus Verkehrssicherungspflichtverletzung in Anspruch.
Die Beklagte unterhält den östlich von L aus der Südseite des L Weges gelegenen S Landschaftspark. Hierbei handelt es sich um einen für das Publikum frei zugänglichen Park mit Weganlagen und entsprechender Bepflanzung, dabei auch der Anpflanzung seltener Pflanzen. Räumlich angegliedert an den Parkkomplex ist die Gaststätte „S“. Von dieser fuhr der Kläger am 01.05.2013 gegen 17.00 Uhr mit seinem Fahrrad los. Nachdem er sich zunächst auf dem L Weg gehalten hatte, Fahrtrichtung H, wechselte er bei erster Gelegenheit nach links in das Parkgebiet und das dort vorhandene Wegesystem und fuhr Richtung der Straße X2 weiter. Ungefähr nach gut 2/3 der Strecke steuerte der Kläger sein Fahrrad auf die an den Parkweg angrenzende Wiese, um Weg abzukürzen. Hinsichtlich des Fahrweges wird im Einzelnen auf das Satellitenbild nebst handschriftlichen Einfügungen Bl. 79 d. A. Bezug genommen.
Der Kläger behauptet, auf dem Wiesenstück in einen diagonal zu der Fahrtrichtung verlaufenden etwa 60 bis 70 cm tiefen Entwässerungsgraben, eine sogenannte Rigole, hineingefahren und dabei zum Sturz gekommen zu sein. Diese Rigole sei für ihn nicht zu erkennen gewesen. Die Wiese sei nämlich unmittelbar vor dem Feiertag auf eine Halmlänge von etwa 10 cm gemäht worden. Von daher habe sich das gesamte Gelände einschließlich der Rigole als ebene Fläche dargestellt gehabt. Der Kläger ist der Auffassung, es sei Sache der Beklagten gewesen, die durch die Rigole bestehende Gefahrenstelle abzusichern z. B. durch Ausmähen des Grabens, Anbringen einer Beschilderung oder einer Absperrung, zumal die Parkbesucher regelrecht animiert würden, auch den Bereich der Wiese zu betreten.
Durch den Unfall habe er ein schweres Schädelhirntrauma ersten Grades mit der Folge eines hirnorganischen Psychosyndroms erlitten. Darüber hinaus habe er eine Querfortsatzfraktur des ersten Halswirbelkörpers erlitten. Nachfolgend habe sich herausgestellt, dass der Kläger auch noch eine Supraspinatussehnenruptur erlitten hatte. Demgegenüber habe er vor dem Unfall nur wegen Rheuma bei unauffälligen Entzündungswerten behandelt werden müssen. Nach dem Unfall sei er nunmehr zu 60 % schwerbehindert. Besonders belastend sei für ihn der weitestgehende Verlust des Kurzzeitgedächtnisses sowie ein zeitweiser Doppelblick, der entsprechende Kopfschmerzen verursache. Nach diversen Behandlungen und Rehamaßnahmen sei er erst ab dem 07.05.2016 wieder vollzeitig arbeitsfähig gewesen. Des Weiteren sei er in seiner Entgeltgruppe zurückgestuft worden. Da er zugleich nicht mehr in der Lage sei, Überstunden zu leisten, sei dadurch ein erheblicher Einkommensschaden entstanden. Insoweit wird im Einzelnen auf die von dem Kläger eingereichte Darstellung Bl. 34 d. A. Bezug genommen.
Der Kläger beantragt,
1.
die Beklagte zu verurteilen, an ihn ein angemessenes Schmerzensgeld, das er selbst mit zumindest 35.000,00 Euro beziffert nebst Zinsen in Höhe von 5 % über dem Basiszinssatz seit dem 24.07.2013 sowie 2.217,45 Euro vorgerichtlicher Kosten zu zahlen;
2.
die Beklagte zu verurteilen, an ihn 37.004,37 Euro nebst Zinsen in 5 % über dem Basiszinssatz jeweils aus 10.126,47 Euro seit dem 31.12.2013, 11.008,93 Euro seit 31.12.2014, 5.612,16 Euro seit dem 31.12.2015, 10.256,81 Euro seit dem 31.12.2016 sowie 5.619,03 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 13.01.2017 zu zahlen;
3.
festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihm allen weiteren materiellen und immateriellen Schaden zu ersetzen, der ihm aus dem Unfall vom 01.05.2013 noch entstehen wird, soweit der Anspruch nicht auf einen Sozialversicherungsträger oder andere Dritte übergegangen ist.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie ist der Auffassung, keine Verkehrssicherungspflicht verletzt zu haben. Um der Öffentlichkeit die Nutzung des Landschaftsparks als Ausflugs- und Naherholungsgebiet zu ermöglichen, sei in dem Park ein Wegenetz von etwa vier bis fünf Kilometern Länge angelegt und für die Benutzung freigegeben worden. An den Eingängen des Parks seien Schilder aufgestellt, die auf die Parkordnung hinweisen. Diese Schilder enthielten u. a. folgende Hinweise: „Der Zugang zum S-Landschaftspark ist frei. Die Benutzung aller Wege geschieht auf eigene Gefahr.“
Entgegen der Darstellung des Klägers sei die Wiese des Parks nicht wegen des anstehenden Feiertags (01.05.2013) gemäht worden. Die erste Mahd sei im Jahr 2013 erst Anfang Juni erfolgt. Die auf dem Gelände verlaufenden neun Rigolen wiesen eine maximale Tiefe von 40 cm auf. Sie seien mit einer völlig unterschiedlichen Bepflanzung, nämlich verschiedenen Hochstaudengewächsen, versehen. Dadurch würden sie sich vom umliegenden Acker- und Wiesengelände abheben. Selbst wenn sich ein Unfall in der von dem Kläger dargestellten Art und Weise ereignet haben sollte, wäre dieser im Ergebnis allein dem Verhalten des Klägers zuzuordnen, der mit dem Fahrrad nicht auf dem Weg geblieben ist, sondern den direkten Weg durch das Wiesengelände gesucht hat.
Hinsichtlich des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die eingereichten Schriftsätze einschließlich der beigefügten Anlagen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist nicht begründet. Dem Kläger stehen die von ihm aus §§ 823, 253 BGB hergeleiteten Ansprüche nicht zu.
Bereits aufgrund des Klägervorbringens lässt sich nicht feststellen, dass die Beklagte eine Verkehrssicherungspflichtverletzung begangen hätte. Grundsätzlich ist jeder, der eine Gefahrenquelle schafft bzw. unterhält und dem öffentlichen Verkehr die Möglichkeit eröffnet, mit dieser in Berührung zu kommen, sicherungspflichtig, um Unfälle und Verletzungen von Personen zu vermeiden. Diese Sicherungspflicht besteht jedoch nicht einschränkungslos. Vielmehr können entsprechende Absicherungsmaßnahmen nur in einem zumutbaren Rahmen verlangt werden. Keinesfalls kann verlangt werden, dass Teilnehmer am öffentlichen Verkehr in jeder nur denkbaren Beziehung vor Gefahren zu schützen sind.
Im vorliegenden Fall besteht bereits keine Verkehrssicherungspflicht der Beklagten. Der Landschaftspark ist ersichtlich so gestaltet, dass er durch Benutzung der Wege begangen werden darf. Dass hier, entsprechend dem Vortrag des Klägers, die Besucher geradezu animiert werden, die Wege zu verlassen, um den Park abseits dieser zu genießen, lässt sich hier gerade nicht feststellen. Gerade die Hinweisschilder an den Zugängen des Parks, wonach die Nutzung der Wege auf eigene Gefahr geschieht, macht deutlich, dass der Eigentümer davon ausgeht, dass die Besucher sich auf dem Wegen bewegen und nicht abseits dieser. Selbst der durchaus in Rechnung zu stellende Fall, dass Besucher des Parks die Wege verlassen und, ggf. wie hier mit einem Fahrrad, das Gelände befahren, gebietet nicht zur Vornahme von Sicherungsmaßnahmen. Denn in einem solchen Fall ist zu verlangen, dass der Nutzer des Parks sich in einer derartigen Weise auf dem Gelände bewegt, dass schon in seinem eigenen Interesse Unfälle von vornherein vermieden werden.
Nur ergänzend weist die Kammer darauf hin, dass selbst im Fall der Annahme der Verletzung einer Verkehrssicherungspflicht eine Haftung der Beklagten ausscheiden würde. Insoweit wäre dem Kläger ein weit überwiegendes Mitverschulden nach § 254 BGB zuzuschreiben, das jede anteilige Verantwortlichkeit der Beklagten zurücktreten ließe. Insoweit gilt, dass derjenige, der sich selbst einer Gefahrensituation aussetzt, bei dem Auftreten bzw. der Verwirklichung einer entsprechenden Gefahr deren Konsequenzen selbst zu tragen hat. Das Befahren einer erkennbar abschüssigen Wiese, die sogar nach dem Vortrag des Klägers nicht komplett kurz gemäht war, stellt ein erhöhtes Risiko dar. Unstreitig handelt es sich hier gerade nicht um eine parkähnliche Rasenanlage, sondern um eine einem authentischen Landschaftsbild nahe kommende Wiese. Dass sich in dieser irgendwelche Löcher, Maulwurfshügel, deutliche Unebenheiten etc. befinden, muss daher von jemandem, der diese mit einem Fahrrad befährt, in Rechnung gestellt werden. Im Ergebnis hat sich hier das Risiko verwirklicht, das der Beklagte mit dem Herunterfahren von dem Parkweg eingegangen ist.
Die Kammer verkennt nicht und nimmt mit großem Bedauern zur Kenntnis, dass die von dem Kläger vorgetragenen Verletzungsfolgen einen immensen Eingriff in seine körperliche Unversehrtheit darstellen und –seiner Darstellung folgend- einen Wendepunkt in seiner Lebensführung darstellen. Jedoch lässt sich, wie hier dargestellt, die Verantwortlichkeit dafür nicht der Beklagten zuschreiben.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit stützt sich auf § 709 ZPO.