Kanzlei Tykwer & Kirsch
Carsten Tykwer
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Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits werden der Klägerin auferlegt.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Auf die Darstellung eines Tatbestandes wird nach § 313 a ZPO verzichtet
Entscheidungsgründe:
I. Die zulässige Klage ist unbegründet.
1. Die Klägerin hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Zahlung weiterer Mietwagenkosten i.H.v. 209,05 Euro aus abgetretenem Recht gemäß §§ 7 Abs. 1, 17 Abs. 1, Abs. 2 StVG, 249, 398 BGB, 115 Abs. 1 VVG.
Zwar hat die Klägerin gegen die Beklagte dem Grunde nach einen Anspruch auf Erstattung der aus dem streitgegenständlichen Verkehrsunfall vom 20.05.2015 entstandenen Mietwagenkosten aus abgetretenem Recht gemäß §§ 7 Abs. 1, 17 Abs. 1, Abs. 2 StVG, §§ 249, 398 BGB, § 115 Abs. 1 VVG. Insbesondere hat das Gericht nach Vorlage der Abtretungserklärung mit Schriftsatz vom 10.06.2016 keine Bedenken an der Wirksamkeit der Abtretung.
Der sich hiernach ergebende Schadensersatzanspruch der Klägerin ist jedoch durch die unstreitige Zahlung der Beklagten in Höhe von 380,00 Euro gemäß § 362 BGB erloschen.
Die erstattungsfähigen, erforderlichen Mietwagenkosten im Sinne des § 249 BGB betragen vorliegend 305,41 Euro.
Der Geschädigte kann gemäß § 249 Satz 1 BGB als Herstellungsaufwand den Ersatz derjenigen Mietwagenkosten verlangen, die ein verständiger, wirtschaftlich vernünftig denkender Mensch in seiner Lage für zweckmäßig und notwendig halten darf. Erforderlichkeit iSV § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB bedeutet für den Bereich der Mietwagenkosten, dass der Geschädigte von mehreren auf dem örtlich relevanten Markt - nicht nur für Unfallgeschädigte - erhältlichen Tarifen für die Anmietung eines vergleichbaren Ersatzfahrzeugs (innerhalb eines gewissen Rahmens) grundsätzlich nur den günstigeren Mietpreis verlangen kann (vgl. nur BGH, NJW 2009, 58, 58 ff.; BGH, Beschluss vom 13.01.2009, Az.: VI ZR 134/08).
Die Frage, ob ein Unfallersatztarif auf Grund unfallspezifischer Kostenfaktoren erforderlich i.S. des § 249 Abs. 2 S. 1 BGB ist, kann dabei offenbleiben, wenn feststeht, dass dem Geschädigten ein günstigerer „Normaltarif” in der konkreten Situation ohne Weiteres zugänglich war, so dass ihm eine kostengünstigere Anmietung unter dem Blickwinkel der ihm gem. § 254 BGB obliegenden Schadensminderungspflicht zugemutet werden konnte (vgl. BGH, NJW-RR 2008, 689, 690, m. w. N.). Ebenso kann diese Frage offenbleiben, wenn zur Überzeugung des Tatrichters feststeht, dass dem Geschädigten die Anmietung zum „Normaltarif” nach den konkreten Umständen nicht zugänglich gewesen ist, denn der Geschädigte kann in einem solchen Fall einen den „Normaltarif” übersteigenden Betrag im Hinblick auf die gebotene subjektbezogene Schadensbetrachtung auch dann verlangen, wenn die Erhöhung nicht durch unfallspezifische Kostenfaktoren gerechtfertigt wäre (vgl. BGH, NJW-RR 2008, a.a.O.).
Die Klägerin hat vorliegend bereits nicht vorgetragen, dass dem Geschädigten die Anmietung eines Ersatzfahrzeuges zum „Normaltarif“ nicht möglich gewesen sei. Vielmehr trägt die Klägerin selbst vor, dass es sich bei den geltend gemachten Mietwagenkosten um solche des „Normaltarifes“ handelt.
Das Gericht legt für die Beurteilung der Frage, ob die geltend gemachten Mietwagenkosten dem „Normaltarif“ entsprechen und mithin gemäß § 249 Abs. 2 S. 1 BGB erforderlich waren, nach § 287 ZPO den Fraunhofer-Marktpreisspiegel zu Grunde.
Der Fraunhofer-Marktpreisspiegel ist nach Auffassung des Gerichts sowohl gegenüber der Schwacke-Liste als auch der Bildung eines arithmetischen Mittels beider Markterhebungen vorzugswürdig und stellt die geeignetste Schätzungsgrundlage zur Feststellung des regionalen „Normaltarifs“ dar.
Zwar weist die Schwacke-Liste eine größere Datenbasis auf, welche bei Berücksichtigung der örtlichen Auswertung für dreistellige Postleitzahlbereiche eine höhere örtliche Genauigkeit bedingt, wohingegen sich der Fraunhofer-Marktpreisspiegel auf den zweistelligen Postleitzahlenbereich beschränkt.
Gleichwohl ist die Schwacke-Liste nicht geeignet, den maßgeblichen für den regionalen Markt durchschnittlichen Mietpreis realistisch abzubilden. Die Schwacke-Liste beruht auf der Annahme, dass die in den eingeholten Preislisten der Mietwagenunternehmen angegebenen Preise den tatsächlich auf dem Markt realisierten Mietpreisen entsprechen würden. Diese Annahme begegnet erheblichen Zweifeln. Dies gilt umso mehr, als dass sie von den Autoren der Schwacke-Liste in keiner Art und Weise belegt wird.
Ferner spricht gegen die Annahme, dass die in den eingeholten Preislisten der Mietwagenunternehmen angegebenen Preise den Marktpreis wiedergeben, dass der Marktpreis sich nicht nach den von der F GmbH eingeholten statischen Preislisten, die laut „Schwacke-Liste“ „für einen sehr langen Zeitraum gelten“ (vgl. z. B. „Schwacke-Liste“ 2012, Seite 8), sondern nach den Preisen richtet, mit denen ein Kunde in der Situation des Geschädigten tatsächlich konfrontiert wird. Diese Preise wiederum richten sich nach der aktuellen Angebots- und Nachfragesituation und gegebenenfalls nach besonderen Wettbewerbssituationen. Diese Parameter unterliegen jedoch typischerweise stetigen Schwankungen, die sich ständig auf das Preisniveau auswirken. Es liegt in der Natur der Sache, dass solche Schwankungen von statischen, für einen „sehr langen Zeitraum“ erstellten Preislisten nicht hinreichend abgebildet werden (OLG Düsseldorf, Urteil vom 24.03.2015, Az.: 1 U 42/14). Entsprechende Schwankungen liegen insbesondere für den Mietwagenmarkt nahe, da auf diesem insbesondere bedingt durch die Vielzahl der regionalen und überregionalen Anbieter eine nicht unerhebliche Konkurrenzsituation herrscht, welche durch die vermehrte Nutzung von Preissuchmaschinen noch weiter verschärft wird. Vor diesem Hintergrund erscheint es nicht realistisch, dass Mietwagenunternehmen in großer Zahl an starren Preislisten festhalten, statt ihre Angebotspreise flexibel nach der aktuellen Marktlage zu gestalten. Die Autoren der „Schwacke-Liste“ weisen auch selbst zutreffend darauf hin, dass es durch den Einsatz von EDV-Systemen immer mehr Autovermietern möglich ist, „eine flexible Preisgestaltung“ vorzunehmen (vgl. „Schwacke-Liste“ 2012, Seite 5) (ebenso OLG Düsseldorf, Urteil vom 24.03.2015, Az.: 1 U 42/14).
Zu berücksichtigen ist ebenso, dass die vom Fraunhofer Institut mittels anonymer Telefonabfragen und Internetangeboten, d. h. aufgrund einer „realen Anmietsituation“ ermittelten durchschnittlichen Mietwagenpreise bekanntermaßen regelmäßig deutlich unter den von der F GmbH ermittelten durchschnittlichen Mietpreisen liegen. Dies spricht ebenfalls dafür, dass entgegen der Annahme der F GmbH der tatsächlich angebotene bzw. realisierte Preis häufig unterhalb des Preises liegt, der in den von den Mietwagenunternehmen übermittelten Preislisten angegeben ist. Anders lassen sich die bis auf wenige Ausnahmen durchgängig erheblichen Unterschiede der von dem Fraunhofer-Institut durch Abfrage konkreter Angebote auf der einen, und von der F GmbH auf Basis der übermittelten Preislisten der Mietwagenunternehmen auf der anderen Seite ermittelten Mietpreise nicht nachvollziehbar erklären. Denn würden sich die Mietwagenunternehmen regelmäßig an die Preise ihrer der F GmbH übermittelten Preislisten halten, müssten auch die vom Fraunhofer-Institut abgefragten Preise - zumindest überwiegend - den Preisen in den Preislisten in etwa entsprechen. Dies ist jedoch nicht der Fall.
Vom Fraunhofer-Institut werden demgegenüber die durchschnittlichen „Normaltarife“, wie bereits ausgeführt, nicht aufgrund von den Mietwagenunternehmen übermittelten Preislisten, sondern aufgrund einer anonymen Befragung mittels Telefon und durch die Auswertung von Angeboten im Internet ermittelt, was einer „realen Anmietsituation“ nahe kommt. Dieser methodische Ansatz ist aus Sicht des Gerichts transparenter und gewährleistet im Gegensatz zur Erhebungsmethode der F GmbH insbesondere, dass es sich bei den erhobenen Mietpreisen auch um tatsächlich am Markt verlangte und realisierte Preise, sprich um Marktpreise handelt.
Die gegen den Fraunhofer-Marktpreisspiegel allgemein erhobenen Einwände begründen keine durchgreifenden Zweifel an dessen grundsätzlicher Eignung als Schätzgrundlage. Mit den allgemeinen Einwänden gegen den Fraunhofer-Marktpreisspiegel haben sich bereits u. a. das Oberlandesgericht Köln (OLG Köln, NJW-RR 2009, 1678, 1678 ff.), das Oberlandesgericht Frankfurt (Urteil vom 24.06.2010, Az. 16 U 14/10, Rn. 18 ff.) und das Oberlandesgericht Hamburg (Urteil vom 15.05.2009, Az. 14 U 175/08, Rn. 10 ff.) sowie auch das Oberlandesgericht Düsseldorf (Urteil vom 24.03.2015, Az. 1 U 42/14) ausführlich befasst und die geäußerten Bedenken als nicht gewichtig bzw. stichhaltig angesehen. Das Gericht schließt sich den überzeugenden Erwägungen in den zitierten Entscheidungen an. Auch der Bundesgerichtshof hat bereits entschieden, dass die allgemein gegen den Fraunhofer-Marktpreisspiegel erhobenen Einwände keine durchgreifenden Zweifel an dessen Eignung als Schätzgrundlage begründen und er daher grundsätzlich zur Schätzung der erforderlichen Mietwagenkosten geeignet ist (u. a. BGH NJW 2013, 1539, Rn. 10 f.; Urteil vom 12.04.2011, Az. VI ZR 300/09 Rn. 17 f.).
Darüber hinaus stellt sich schon vor dem Hintergrund der gegenüber der Schwacke-Liste geäußerten Bedenken auch eine Mittelung zwischen den beiden Mietpreisspiegeln nicht als geeignete Schätzungsgrundlage dar. Dies gilt umso mehr, als dass es keinerlei tatsächlichen Anhaltspunkt dafür gibt, dass die Mittelung zu einem Wert führt, welcher dem tatsächlichen Mietpreis auf dem regionalen Mietwagenmarkt näher kommt, als die alleinige Anwendung des Fraunhofer Marktpreisspiegels, welcher seinerseits im Gegensatz zur Mittelung auf realen Erhebungen beruht.
Die im zu entscheidenden Fall erforderlichen Mietwagenkosten errechnen sich daher nach dem Fraunhofer-Marktpreisspiegel wie folgt:
Zu berücksichtigen war zunächst unstreitig eine Mietdauer von 1+1+7 Tagen.
Der maßgebliche Mietwagenmarkt ist der regionale Markt in Z, Postleitzahlengebiet 32xxx des Fraunhofer Marktpreisspiegel.
Zugrundezulegen war darüber hinaus die Mietwagenkostengruppe 2 der Schwacke-Liste. Unstreitig wäre das geschädigte Fahrzeug als Neufahrzeug in die Mietwagenklasse 3 einzuordnen gewesen. Zum Zeitpunkt des schädigenden Ereignisses war das Fahrzeug aber gerade 10 Jahre alt geworden. Die Behauptung der Beklagten, der Wagen sei 15 Jahre alt gewesen, ist ins Blaue hinein abgeben. Denn ausweislich der Erklärung des Geschädigten vom 05.06.2015 erfolgte die Erstzulassung des Fahrzeugs am 17.05.2005. Unter Berücksichtigung des Alters nimmt das Gericht im Rahmen des § 287 ZPO eine Abstufung um eine Klasse vor. Bei Anmietung eines Mietwagens ist es nicht gerechtfertigt, dass der Schädiger mit den Kosten eines aktuellen Modells belastet wird, denn der Gebrauchswert bei einem älteren Modell ist im Hinblick auf Komfort, Ausstattung und Verschleißerscheinungen herabgesetzt. Dies gilt jedenfalls für Pkw, die bereits 10 Jahre alt sind. Eine Herabsetzung über mehrere Stufen würde hingegen den Gebrauchswert insbesondere in Hinblick auf die Größe des Modells nicht mehr gerecht werden.
Nach der Fraunhofer-Liste 2015 errechnen sich die angemessenen Mietwagenkosten (brutto) wie folgt:
1 x 7-Tagespauschalen-Tarif in Fahrzeugklasse 2 im Postleitzahlengebiet 32xxx zu 196,58 Euro |
196,58 Euro |
2 x 1-Tagespauschalen-Tarif in Fahrzeugklasse 2 im Postleitzahlengebiet 32xxx zu je 71,38 Euro |
142,76 EUR |
Angemessene Mietwagenkosten |
339,34 EUR |
Auf diesen Betrag hat sich der Geschädigte gegenüber der Beklagten jedoch eine Eigenersparnis von 10 %, also 33,93 Euro anrechnen zu lassen. Dies gilt unabhängig davon, ob er ein klassenschlechteres Fahrzeug anmietet oder nicht. Hieraus ergibt sich die nach § 287 ZPO geschätzte Schadenshöhe von 305,41 Euro.
Auf diesen Betrag sind jedoch seitens der Beklagten bereits unstreitig 380,00 Euro gezahlt worden.
2. Mangels begründeter Hauptforderung besteht auch kein Anspruch der Klägerin auf Ersatz eines etwaigen Zinsschadens gemäß §§ 286 Abs. 1, 288 Abs. 1 BGB.
II. Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 9, 708 Nr. 11, 713 ZPO.
III. Der Streitwert wird auf 209,05 Euro festgesetzt.