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Kanzlei Tykwer & Kirsch
Carsten Tykwer

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Landgericht Detmold, 3 T 50/11 / 08.03.2011

Tenor:

Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben.

Der zuständige Gerichtsvollzieher wird angewiesen, die Schuldnerin zur Nachbesserung des Vermögensverzeichnisses vom 8. Oktober 2010 erneut zu laden und sie ihre Angaben in folgenden Punkten ergänzen zu lassen:

Die Schuldnerin hat anzugeben, wovon sie ihren Lebensunterhalt bestreitet. Sofern sie ihren Lebensunterhalt (teilweise) durch Zuwendungen Dritter bestreitet oder von Dritten unterstützt wird, so sind Namen und Anschrift dieser Personen sowie Art, Umfang und Rechtsgrund der Unterstützungen/Zuwendungen anzugeben. In diesem Zusammenhang hat die Schuldnerin auch zu ihren Wohnverhältnissen Stellung (z.B. Wohnen zur Miete/Untermiete) zu nehmen und sich dazu zu erklären, wie sie ihre Wohnkosten (z.B. durch Wohngeld/durch Leistungen Dritter) bestreitet.

In Nachholung ihres Fragerechts ist der Gläubigerin in diesem Termin die Gelegenheit zur umfassenden Befragung der Schuldnerin zu geben.

Gerichtskosten fallen nicht an; die Schuldnerin trägt nur die notwendigen Kosten.

Der Beschwerdewert wird auf 1.500,00 EUR festgesetzt.

Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Die Gläubigerin betreibt gegen die Schuldnerin das Verfahren auf Abgabe der eidesstattlichen Versicherung. In ihrem Zwangsvollstreckungsauftrag vom 2. März 2010 hat sie der sofortigen Abnahme der eidesstattlichen Versicherung widersprochen und angekündigt, ihr Fragerecht in dem zur Abgabe des Offenbarungseides anzuberaumenden Termin auszuüben. Der zunächst auf den 14. Oktober 2010 bestimmte und dem Verfahrensbevollmächtigten der Gläubigerin mitgeteilte Termin wurde durch den zuständigen Gerichtsvollzieher auf den 8. Oktober 2010 vorverlegt. Bezüglich der Gründe der Terminsverlegung wird auf den Vermerk des Gerichtsvollziehers vom 6. Oktober 2010 (Bl. 13 des Vollstreckungshefts) Bezug genommen. Eine Benachrichtigung des Verfahrensbevollmächtigten der Gläubigerin von der Terminsverlegung ist unterblieben. In Abwesenheit des Gläubigervertreters hat der Gerichtsvollzieher der Schuldnerin am 8. Oktober 2010 die eidesstattliche Versicherung abgenommen.

Mit Antrag vom 15. Oktober 2010, wegen dessen Begründung auf Bl. 19 f. des Vollstreckungshefts verwiesen wird, hat der Verfahrensbevollmächtigte der Gläubigerin die Nachbesserung der eidesstattlichen Versicherung beantragt.

Diesen Antrag hat der Gerichtsvollzieher unter Hinweis auf das seiner Ansicht nach vollständige Vermögensverzeichnis abgelehnt.

Mit dem angefochtenen Beschluss hat das Amtsgericht die dagegen gerichtete Erinnerung der Gläubigerin verworfen. Zur Begründung hat es darauf verwiesen, dass die Schuldnerin nach der umfassenden Abgabe der eidesstattlichen Versicherung keine weitergehenden Fragen der Gläubigerin mehr zu beantworten habe. Auch wenn die Gläubigerin durch die unterlassene Terminsnachricht nicht bei der Abnahme der eidesstattlichen Versicherung habe anwesend seien können, begründe dies keine Rechtsverletzung.

Dagegen wendet sich die Gläubigerin – unter näheren Ausführungen – mit ihrer sofortigen Beschwerde.

Das Amtsgericht hat der Beschwerde des Schuldners mit Beschluss vom 10. Februar 2011 nicht abgeholfen und die Sache der Kammer zur Entscheidung vorgelegt.

II.

Die gemäß § 793 ZPO statthafte und zulässig angebrachte sofortige Beschwerde der Gläubigerin hat auch in der Sache Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und zur Anweisung des Gerichtsvollziehers, die Schuldnerin zur Nachbesserung der eidesstattlichen Versicherung erneut zu laden und der Gläubigerin in diesem Termin die Nachholung ihres umfassenden Fragerechts zu gestatten.

Der Gerichtsvollzieher hat der Schuldnerin unstreitig unter Verstoß gegen das Fragerecht der Gläubigerin die eidesstattliche Versicherung am 8. Oktober 2010 abgenommen. Obgleich die Gläubigerin durch ihren Verfahrensbevollmächtigten ausdrücklich einer sofortigen Abnahme der eidesstattlichen Versicherung gemäß § 900 Abs. 2 S. 1 ZPO widersprochen und die Ausübung ihres Fragerechts angekündigt hatte, ist ihr durch die unterbliebene Nachricht von der Vorverlegung des Termins die Möglichkeit der Teilnahme genommen worden. Für die Wahrung der Belange eines Gläubigers sind jedoch dessen Anwesenheits- und Fragerecht von erheblicher Bedeutung. Insoweit hat das Amtsgericht zu vergegenwärtigen, dass das Fragerecht eines Gläubigers durch den amtlichen Vordruck des Vermögensverzeichnisses weder inhaltlich bestimmt oder gar vom Umfang her eingeschränkt wird. Dem vom Gerichtsvollzieher verwendeten Vordruck kommt keine rechtliche Bindungswirkung zu; dieser ist lediglich Aufklärungshilfe und enthält keinen abschließenden Katalog zulässiger Fragen (zu vgl. Eickmann in MüKo, ZPO, § 900, Rn. 17 m.w.N.). Über den amtlichen Fragebogen hinaus sind daher weitere Fragen des Gläubigers zulässig, soweit sie auf die konkrete Schuldnersituation abstellen (zu vgl. Eickmann a.a.O.). Gerade mit Blick darauf, dass eine wiederholte Abgabe der eidesstattlichen Versicherung nach § 903 ZPO an enge Voraussetzungen geknüpft ist, hat der Gerichtsvollzieher auf die Wahrung des Anwesenheits- und Fragerechts eines Gläubigers daher genauestens zu achten. Die Frage, ob die eidesstattliche Versicherung noch einmal abgenommen werden muss, wenn einem Gläubiger die Möglichkeit der Teilnahme an dem Termin durch einen Fehler des Vollstreckungsorgans genommen wird, bedarf vorliegend indes keiner Entscheidung (vgl. beispielhaft: dagegen Voit in Musielak, ZPO, 7. Aufl., § 900, Rn 12; dafür AG Bochum in DGVZ 2006, 120 ff.). Denn dem Gläubiger ist jedenfalls dann Gelegenheit zur Nachholung seines Fragerechts zu geben, wenn der Schuldner aus einem anderen Grunde zur Ergänzung des Vermögensverzeichnisses verpflichtet ist, weil einzelne Angaben unvollständig oder unklar sind (zu vgl. Kammergericht, Beschl. v. 18. November 1981 – Az. 1 W 3345/80).

So liegt es hier. Das Vermögensverzeichnis der Schuldnerin vom 8. Oktober 2010 ist – dies hat das Amtsgericht bei seiner Entscheidung verkannt – evident unvollständig und aus sich heraus bereits nicht stimmig. Als monatliche Einkünfte hat die Schuldnerin darin einzig eine Erwerbsunfähigkeitsrente in Höhe von 420,00 EUR angegeben (Buchst. B Ziff. 11). Den Empfang von Leistungen nach dem SGB II oder XII hat sie ebenso wie den Bezug von Wohngeld oder Unterhaltszahlungen durch ihren getrennt lebenden Ehemann verneint. Ihren eigenen Angaben zufolge verfügt die Schuldnerin auch im Übrigen über keinerlei Vermögenswerte oder sonstige Einnahmen; ihr Kontoguthaben beträgt ausweislich Ziff. 14 des Fragenkatalogs ganze 3,00 EUR. Nach allgemeiner Lebenserfahrung ist jedoch schlechterdings nicht vorstellbar, dass die Schuldnerin ihren gesamten Lebensunterhalt von 420,00 EUR im Monat bestreitet. Das gilt umso mehr, als die Schuldnerin – davon ist nach Ziff. 18 des Vermögensverzeichnisses auszugehen – zur Miete wohnt. Wie die Schuldnerin ihren täglichen Lebensbedarf und die Wohnkosten von einer Rente sicherstellt, die deutlich unter dem Sozialleistungsniveau liegt (Regelsatz zzgl. Kosten der Unterkunft), erschließt sich aus dem Vermögensverzeichnis nicht. Das abgegebene Vermögensverzeichnis ist daher aller Wahrscheinlichkeit nach unvollständig, so dass Anlass zu dessen Nachbesserung besteht. Wird ein äußerlich erkennbar unvollständiges, ungenaues oder widersprüchliches Verzeichnis vorgelegt, ist der Schuldner zur Nachbesserung verpflichtet, die in Fortsetzung des bisherigen Verfahrens zu erfolgen hat (zu vgl. BGH in NJW 2004, 2979 ff.). Dem darauf gerichteten Antrag der Gläubigerin ist damit zu entsprechen.

In dem anzuberaumenden Termin wird die Schuldnerin sich ergänzend darüber zu erklären haben, wovon sie ihren Lebensunterhalt bestreitet. Sofern sie Zuwendungen Dritter empfängt hat sie diese Personen durch Namen und Anschrift zu bezeichnen. Darüber hinaus hat sie Art, Umfang und Rechtsgrund der Unterstützungsleistungen anzugeben. Die Schuldnerin mag sich ergänzend auch über ihre Wohnverhältnisse (Wohnen zur Miete/Untermiete) sowie dazu erklären, wie sie ihre Wohnkosten bestreitet.

Nachdem der Gläubigerin durch die unterlassene Benachrichtigung von der Terminsvorverlegung ihr Fragerecht abgeschnitten worden ist, hat ihr der Gerichtsvollzieher in dem neuen Termin die nachträgliche – umfassende, nicht lediglich auf die nachbesserungsbedürftigen Punkte beschränkte – Befragung der Schuldnerin zu gestatten.

III.

Gerichtsgebühren sind nicht angefallen. In dem bislang einseitig geführten Erinnerungs- und Beschwerdeverfahren ist nach Auffassung der Kammer die Kostenregelung des § 91 ZPO nicht zu Lasten der Schuldnerin anwendbar. Die Kosten können von dieser nur unter den Voraussetzungen des § 788 ZPO beigetrieben werden. Der Gegenstandswert war gemäß § 25 Abs. 1 Nr. 4 RVG auf 1.500,00 EUR festzusetzen.

Die Rechtsbeschwerde ist nicht zuzulassen. Weder hat die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung, noch erfordern hier die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts (§ 574 Abs. 2 Nr. 1 und 2, Abs. 3 S. 1 ZPO).